NordArt? Büdelsdorf? Am
Anfang hatte ich nur einen Prospekt von der NordArt in der Hand. Letztes
Jahr ist mir die Ausschreibung für diese Ausstellung schon mal vor die Füsse gefallen, aber wirklich geläufig war mir der Name nicht. Aber was erwartet man von einer
Kunstausstellung die in einem Ort wie Büdelsdorf startet? (urbaner Gößenwahn, ja haut mich!) Es hat nichts mit Qualität zu tun, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie so groß wäre, dass sich ein Besuch bei Rendsburg lohnen würde. So seltsam
in einem Ort Namens Büdelsdorf eine Kunstausstellung
zu vermuten, umso erstaunlicher ist DIE Ausstellung selber. Die Macher die NordArt beschreiben ihre Ausstellung auf ihrer Internet-Seite selber mit ein wenig Ironie :
"Eine solche Perle ist das Kunstwerk Carlshütte, mitten in der
schleswig-holsteinischen Provinz. Ausgerechnet hier, am
Nord-Ostsee-Kanal zwischen zwei Meeren, wo man Windräder vermutet und
buntgescheckte Kühe, norddeutsche Klischees, aber keine internationale
Kunst, findet man eben diese in Fülle: Das Kunstwerk Carlshütte mit
seinem Flaggschiff, der NordArt, ist alles, nur nicht festgelegt.
Hier darf noch experimentiert werden. Hier trifft visuelle
Gegenwartskunst auf klassische Musik, treffen literarische Poetry Slams
auf Ballettaufführungen, Bildhauer auf Jazzmusiker. Es ist ein
lebendiger Organismus, ein Gesamtkunstwerk, das sich in immer wieder
neuen Facetten zeigt. Unprätentiös, und doch außergewöhnlich.
Unkonventionell, und doch auf dem Boden geblieben."(
Quelle)
Nach der
Autobahnabfahrt der A7 „Rendsburg/Büdelsdorf“ wird man erst mal
ein ganzes Stück über eine Zufahrtsstraße geleitet. Diese ist
gesäumt von Möbelgeschäften, Imbissen, Erotikmärkten und
Billigdiscounts. Hier erwartet man einiges, aber sicherlich nicht
eine der "größten jährlichen Ausstellungen zeitgenössischer Kunst in Europa.“ (o-Ton
NordArt) Zwischen 70er Jahre anmutenden Bausünden und modernen
niedrigen Bürogebäuden verstecken sich der Park der NordArt und die
anliegende ehemalige „Carlshütte“ (Eisenhütte). Der Park beeinhaltet einen großzügig angelegten Skulpturenpark und die "Hütte", in der alles untergebracht wird, was nicht dem Wetter ausgesetzt werden soll. Skulpturen sind oft beeindruckend, können in „freier Wildbahn“ und unter freiem Himmel sich zudem deutlich besser entfalten in ihrer Wirkung. Der Garten packt mich
sofort. Auch die im Hintergrund zu hörende Schnellstraße ist nur am Rande zu erwähnen. Hervorzuheben ist gleich am Anfang die Freundlichkeit der
Mitarbeiter, ob nun am Eingang oder an anderer Stelle.
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Großzügig angelgter Skulturengarten bei der NordArt |
Eine
der wenigen negativen Auffälligkeiten sind die Papier-Pläne für
den Skulpturenpark. Sie kosten neben dem Eintritt (9€ für
Erwachsene) nochmal 50cent. Das wäre sicherlich kein Problem, wenn
man nicht im Park auf diesen Plan angewiesen wäre. An den Skulpturen
sind keine Erklärungen, geschweige den Werknamen oder Künstler
angebracht. Ehrlicher und einfacher wäre sicherlich den Plan jedem
Besucher in die Hand zu drücken und von mir aus den Eintritt auf
9,50€ zu erhöhen. Der Plan selber ist sein Geld auf alle Fälle
Wert (auch wenn Anfang Juli an 2 oder 3 Stellen nicht mehr aktuell).
Im
Skulpturengarten selber sind mir einige neue spannende und einige bekannte
Künstler untergekommen. Besonders die Arbeiten "eines alten Bekannten" wie Guido Messer zu sehen, mit 3 großen
Arbeiten beteiligt, hat mich sehr gefreut. Der Künstler aus
Süddeutschland arbeitet mit Ironie und einer
wunderbaren Form der Satire. Vor allem das Werk, bei dem 4 blaue
Personen in 4 Himmelsrichtungen schauen und dabei entspannt
unbeteiligt sind, hat mich begeistert.
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und "Point" |
Neu
für mich war der 1974 geborene polnische Künstler Norbert Sarnecki,
der seine Arbeiten vor den Eingängen des Bistros
präsentiert. Mit seinen menschlichen Abbildungen schafft er jene
Intensität, die solche Skulpturen brauchen. Innig mit dem Betrachter
und doch isoliert in sich wirken die Arbeiten auf mich anziehend und
abstoßend zugleich. Die beiden nackten Figuren des Werks Absurd
scheinen wie Jäger und Sammler aus einer Doku über Naturvölker.
Dabei sind sie aber trotzdem deutlich an den modernen Menschen angelehnt (Gesichtsausdruck, Haarschnitt, Körperaufbau). Daneben ist seine Arbeit von einem auf mich hektisch, fast aggressiven
agierenden Menschen in Business-Anzug bemerkenswert. Die auf einem
Stahlrohr angebrachte Skulptur scheint auf die Balance zu pfeiffen, die
sie aber eigentlich sowieso schon verloren hat.
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Norbert Sarnecki - "Absurd" |
Einige
der abstrakten Werke bestechen durch ihre Idee, ihre Oberflächen,
ihre Größe oder auch über ihre Unbekümmertheit. Zu nenne ist
unter anderem der japanische Künstler Tets Ohnari mit seinem Werk
Trick-Star, der mehre Meter hohen Skulptur Katla des
US-amerikanischen Künstlers Peter Lundberg oder auch die massige
Skulptur „Liegend verschoben“ des österreichischen Künstlers
Stefan Schweighöfer.
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Skulptur Katla von Peter Lundberg |
Der
Park überzeugt durch seine Zwei-Teilung. Auf der einen Seite die
Obstwiese mit ihrem Bestand von alten Äpfelbäume und auf der
anderen Seite eine Parkanlage, die an ein Herrschaftsgut erinnert.
Mit Karpfenteich und Wandelgängen. Die Aufpasser handeln entspannt
gelassen, auch wenn ein paar Kinder zwischen den Skulpturen
herumflitzen. Kunst hat eben doch was mit Leben zu tun! Das Bistro
„Alte Meierei“ liegt in zentraler Lage und lohnt sich
auch. Die kleinen Speisen dort überzeugen durch Qualität (Nur der
Kaffee hätte etwas heißer sein können - Ich nenne das gerne selber an mich gerichtet "Luxusprobleme").
Wie ich schon oben erwähnt habe, dass das Personal (egal wo)
war immer sehr freundlich und zuvorkommend. Hier möchte ich auch die
Mitarbeiter des Bistros nochmal mit einschließen.
Um
in die Carlshütte zu gelangen, muss man den Skulpturengarten
verlassen und etwa 50 Meter weiter wandern. Dort angekommen begrüßt
einen ein „Museumsshop“ Nicht so wie man ihn kennt. Vollgestopft
mit Huckenschnuck und Bildbänden zu x-Themen. In Vitrinen sind Werke
von den Künstlern, die im Skulpturengarten vertreten sind zum
Anschauen und Kaufen. Natürlich in größen, die Handlicher sind und
auch in normalen Haushalten Platz hätten. Dort haben wir dann auch
erfahren, dass fast jedes der Großskulpturen ebenso käuflich
erwerbbar ist. Den Reiz, eines der Werke bei uns in unserem 30qm
Garten stehen zu haben, war genauso groß wie spinnerhaft. Aber die
Vorstellung war schon toll.
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Die Carlshütte |
In
den Hallen der Carlshütte, die ich in dieser Größe nicht erwartet
hatte, haben die Gemälde den Vorrang. Nebenbei gibt es
Raum-Installationen, Skulpturen und Video-Kunst zu entdecken. Es wirkt als hätte Kurator Wolfgang Gramm und sein Team einen
Hang zu einem Mix von klarer Sachlichkeit und modernen Surrealismus. Dieses ist meiner Meinung sehr gut gelungen und lässt die verschiedenen Bilder genug Raum.
Neben den PopArt lastigen Arbeiten von Andrei Krioukov, hat mich die
Rauminstallation von Anssi Taulu berührt. Ein Raum in rotes Licht gehüllt und komplett mit Papkartons ausgekleidet. Zudem Formen wie aus Tropfsteinhöhlen, auch aus Karton. Beindruckend und meiner Meinung am Besten in das Fabrikambiente eingebunden waren die weißen Figuren von Gerd Paulicke! Die Arbeit (mit Löffeln behängter, niedriger Raum) von Mok Yee Lee aus Malaysia verbreitet einen Charme von dOKUMENTA oder ähnlichen Ausstellungskonzepten! "Die Prozession" von Christa Biederbick ist wunderbar in Szene gesetzt, die Installation selber ist von einem Wassergraben umgeben.
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Werk von Gerd Paulicke |
Wer
es sich überlegt noch in diesem Jahr dort hinzufahren wird
sicherlich die richtige Entscheidung treffen. Mich hat die NordArt so sehr
begeistert, dass ich sicherlich nun zu einem regelmäßigen Besucher
werde.
NordArt
Kunstwerk Carlshütte
Vorwerksallee
24782 Büdelsdorf
Noch bis 6. Oktober 2013
Öffnungszeiten und Preise:
Dienstag bis Sonntag, 11 – 19 Uhr
Eintritt: 9 Euro
Ermäßigt: 6 Euro (Schüler: 3 Euro)
Weitere Bilder vom Skulpturenpark:
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Tina Schwichtenberg ... |
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... "Women De Formation" (2013) |
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Klaus Gündchen - Ohen Titel (2013) |
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Auch andere Lebewesen fühlen sich auf dem großen Gelände wohl! |
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Roswitha Steinkopf - Licht (vorn); Alf Becker - Going To The Beach |
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"Blatt" - von Alexander Miroshnitchenko |
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Guido Messer |
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"Ente" von Vaclav Litvan |
Weiter Bilder aus der Carlshütte:
PS. Bildunterschriften werden nach und nach ergänzt!