11. September 2012

dOCUMENTA (13) Teil 3/3

dOCUMENTA (13)
Der dritte Tag.
Der Tag zeigt sich grau, mit leichtem Nieselregen und nicht wirklich warm. Im Radio versprechen sie eine Besserung des Wetters im Laufe des Tage – ich hoffe mal, denn heute steht vor allem die Karlsaue an. Der Park, der sonst als Ruhezone während der letzten Documenta(s?) herhalten musste, wird dieses mal komplett integriert ins Geschehen. Wir holen nach dem Frühstück und Unmengen von Kaffee „unsere“ Räder und fahren Richtung Orangerie/Karlsaue. Erstmal schauen und später dann noch eine Tageskarte besorgen.

Die einfachts Möglichkeit in Kassel Fahrräder auszuleihen: Konrad

Beim ersten Punkt, einem kleinen Pavillon stehen wir ohne Karte vor verschlossener Tür. Der nette Herr am Eingang zeigt uns auf dem Übersichtsplan welche Punkte wir auch ohne Karte besuchen könnten, es sind fast 2/3 der Werke in der Karlsaue! Also nehmen wir diese erstmal ins Visier und schauen später dann, was wir noch schaffen wollen. Zuerst kommen wir zu einem kleinen Apfelbäumen und verstehen mal wieder erst nach der Lektüre unseres Begleitbuches was es damit auf sich hat. Der Baum heißen KZ3 (bzw. Korbiniansapfel) und wurden von dem Pfarrer und NS-Widerständler Korbinian Aigner im KZ Dachau gezüchtet. Diese Pflanzung ist zu Ehren des Mannes, der in der Todesmaschinerie neues Leben gegeben hat. Beeindruckend ist für mich, dass ich erst den Baum betrachtete und dachte „und was soll das jetzt?“ und dann fast ehrfürchtig davor stand. Ein Denkmal, das wachsen und Früchte schenken wird.

KZ-Äpfel

Über viele Werke, die wir an diesem dritten Tag gesehen haben, werde ich nicht viel erzählen (weil es einfach den Rahmen sprengen würde). Aber einige möchte ich dann doch genauer beschreiben: Die Uhr am Hirschgraben, den Hundespielplatz, die Holz-Konstruktion aus Galgen, die Installation in der Kompostieranlage, dem verrückten Haus von Shino Ohtake, dem gekrümmten Tunnel, die Mangold-Fähre, der Soundinstallation im Wald sowie Baum mit Stein. (Übrigens: die drei Werke Wave, Hügel und Baumreihe sind schon im zweiten Teil meines Berichtes über die dOCUMENTA (13) beschrieben)

Die verdrehte Uhr am Hirschgraben

Die verschoben Uhr von Anri Sala kennt sicherlich der einige oder andere von Bildern zur dOCUMENTA (13). Sie steht am Ende des Hirschgrabens und hat „direkte Sicht“ auf die Orangerie. Durch Veränderung des Standpunktes wirkt die Uhr mal wie ein Kreis, mal wie eine Ellipse und an anderer Stelle weiß man gar nicht mit was für einer Form man es zu tun hat. Was uns beeindruckt hat war auch die mechanische Raffinesse. Zwischen zwölf und sechs Uhr bestehen keine 180° und damit kann die Uhr nicht rund laufen. Vereinfacht gesagt, bei den ersten sechs Stunden müssen die Zeiger schneller laufen und bei den weiteren sechs dann langsamer. Wir haben uns etwa eine halbe Stunde Zeit gelassen um zu schauen ob es auch wirklich hinkomme. Und das Ergebnis ist nicht überraschend, denn es funktioniert.

hier ist die dOCUMENTA (13) also auf den Hund gekommen

Ein weiteres Objekt ist der Hundespielplatz. Was für ein Aufreger am Anfang der dOCUMENTA (13). Nun wäre die Ausstellung in Kassel "auf den Hund gekommen" oder es würde jetzt sowieso keiner mehr die Ausstellung ernst nehmen. Das was am Anfang so oft besprochen wurde, ist dann doch nur ein kleines Areal am Ende der Karlsaue. Nun ja, Skulpturen auf denen Hunden spielen, irgendwie nicht meines. Aber deshalb die ganze Ausstellung zu Grabe zu tragen, wäre dann doch etwas sehr übertrieben.

Die grüne dOCUMENTA (13) Bibel

Kassler Häuserwand

Was mich dagegen sehr beeindruckt hat, war die Galgen-Konstruktion (Gallows Composite A-E, 2008 – 2009) von Sam Durant. Mitten in der Karlsaue ist die Installation, die eher wie ein großes Klettergerüst anmutet und auch genau dazu ermutigen will. Die Holzkonstruktion die durch Metallstrebe etwas erhöht wurde, ist eine Ansammlung von Galgennachbauten. An den Originalen hat unter anderem Saddam Hussein sein Leben verloren. Aus diesen Tötungsmaschinen ein Klettergerüst zu machen ist eine wunderbare Idee.

Galgen als Klettergerüst


Eine Installation in der Kompostieranlage des Karlsaue wirkt auf den ersten Blick als das reine Chaos. Ein Hund mit Farbe läuft Kreuz und Quer über die Anlage. Eine liegende Frauenskulputur ohne Kopf, aber dafür mit einem Bienennest an der Stelle. Zudem Schutt, Abfall und Unkraut. Ein Ort, der einen erst chaotisch begrüßt und dann ratlos zurück läßt. Beeindruckend ist schon wie der ganze „Raum“ bespielt wird und irgendwie stellt sich mir die Frage: Gibt es eine Ordnung im Chaos?

"falscher" Hund in der Kompostieranlage

"Richtiger" Hund in der Kompostieranlage

Beim nächsten Objekt kann man sich ähnliches Fragen, aber hier gibt es eine klarere Antwort: Keine Ordnung im Chaos! Das verrückte Haus von Shinro Ohtaka ist zusammengezimmert aus Türen und Fenstern. Innen drin wirkt alles durcheinander: Überall kleine LED Bildschirme, die Bilder zeigen; Eine E-Gitarre, die mechanisch angezupft wird; Übergroße Bücher auf dem Boden. Spannendes durcheinander. Aber was soll das? Es ist eines von vielen Stücken die einen mit offenen Fragen zurück lassen bzw. nicht mal einfache Fragen beantworten. Ich und mein Begleiter diskutieren noch einige Zeit über den Satz, der im grünen Buch (Seite 284) steht: „Der durch seine an ein Sammelalbum erinnernde Gestalt und die verschiedenen Klangfragmente dynamisierte Raum funktioniert als lebendiges Selbstportrait nicht nur des Künstlers, sondern auch des Besucher, die ihn erleben.“ Also von jedem ist das Selbstbildnis im Werk? Ist das Spiegelbild damit gemeint oder was? Es werden mehr Fragen als weniger!

Jeder findet angeblich in dem Werk sein Selbstbildnis - ich habe es gefunden!

Danach kommen wir an dem gekrümmten Tunnel von Gabriel Lester vorbei. Ein nicht ganz vollständiger Kreis als Tunnel von etwa 270°. Wenn man an dem einen Ende reingeht, kommt man am anderen Ende eigentlich am gleichen Ort wieder raus. Der Tunnel selber gibt einem im Inneren schon ein spannende Raumgefühl, vor allem wenn man versucht den Eingang und den Ausgang gleichzeitig zu erblicken. Ein witziges Gespräch über die Möglichkeiten solche Objekte zu fotografieren folgt mit einem mit Jesus-Latschen besohlten Besucher.
Einen der schönsten Namen auf der dOCUMENTA (13) hat die Installation „Die Mangold-Fähre (Der Russe kommt nicht mehr über die Fulda)“. Mobile-Brücken (hier nun vom THW) wurden mit Mangold bepflanzt und als Weg über einen der Gräben gelegt. Einer der Aufpasser (es durften nur höchsten 20 Leute auf die „Brücke“) erklärte uns was es mit dem Namen auf sich hat. An der ehemaligen Grenze zwischen der DDR und der BRD gab es Pläne der Roten Armee im Kriegsfall mit mobilen Brücken die Fulda zu überqueren. Diese Pläne wurden wie bekannt glücklicherweise nie umgesetzt. Jetzt aber die ehemaligen Kriegsgeräte als Brücken mit Lebensmitteln zu bestücken, ist eine lobende Umkehr der Funktion.

In der Mitte vom gekrümmten Tunnel mit Sicht zu beiden Ausgängen.

Klanginstallation im Wald

Das Erlebnis was ich wohl nie vergessen werde, ist die Soundinstallation im Wald von Janet Cardiff & George Bures Miller mit dem Namen „for an thousend years“. Man wurde eingeladen in einem Wäldchen Platz zu nehmen und einem besondern Sounderlebnis beizuwohnen. Kindergeschrei, marschierende Truppen, Gesänge, Züge und vieles andere kommt so nah an einem Vorbei und man hat das Gefühl es wäre auch wirklich da. Gerade wenn man die Augen öffnett, kommt einem die Situation extrem Surreal vor. Die Geräusche wirken real, passen aber natürlich überhaupt nicht mit den visuellen Eindrücken zusammen.. 

geruhsame dOUMENTA (13)

Einer dafür, einer dagegen und einer vermitelt! (nicht mein Thema, aber meines Begleiters)

Besuchermangnet "Der Stein im Baum"

Mittlerweile ist es schon später Nachmittag und wir haben uns die ganze Zeit in der Karlsaue ohne Karte aufgehalten. Wir merken beide, die Konzentration lässt nach und die Aufnahmekapazität erst recht. Wir begeben uns noch zu dem Bronze-Baum der einen Findling trägt von Giuseppe Penone. Dort ruhen wir ein wenig aus und merken, das hier und heute für uns Schluss ist. Wir holen das Gepäck und halten uns bis zu Abfahrt noch am und um den Bahnhof auf. Wir beiden sind mittlerweile eher Mundfaul (passiert uns eher selten) und freuen uns auf Hamburg.


Monopolmagazin zur dOCUMENTA (13) als Kleid
am Rande der Kunstschau

Drei Tage dOCUMENTA (13) haben genau das gebracht was ich mir erwünscht habe. Viel Input, viele neuen Aspekte der modernen Kunst, eintauchen in eine andere Welt und die Beschäftigung mit umfangreichen und manchmal spannenden Konzepten. Die Umsetzung dieser Konzepte und Ideen war manchmal überraschend, manchmal nicht nachvollziehbar, aber oft eben auch genial! Wenn ich kann, werde ich in 5 Jahren wieder dabei sein! Danke Kassel, danke documenta!

Für uns Ausgangs und Endpunkt: Der Kulturbahnhof!

...und Tschüss

Nochmal die gleich Anmerkung wie in Teil 1 und 2: Es ist natürlich nur ein bescheidener Versuch das zu beschreiben, was ich bei dieser großen Kunstausstellung gesehen, erlebt oder auch gefühlt habe. Zudem sind mir meine Rechtschreibfehler, grammatikalischen Ungenauigkeiten und Sprünge in den Zeiten mittlerweile liebgewonnene Begleiter geworden.

dOCUMENTA (13) Teil 1
dOCUMENTA (13) Teil2

3 Kommentare:

  1. Guten Morgen. Deine Bilder sind wirklich toll geworden. Ich selbst lebe in Kassel un besuchte die Documenta ganze 6 Mal. Welches Werk hat dich am Meisten beeindruckt? Bei mir wars dann doch die Klanginstallation in der Aue. Wirklich interessant. :-)

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  2. Hallo Ina, ich muss ehrlich sagen es gab zu viele Werke die mich beeindruckt haben um zu sagen welches jetzt das absolute Highlight war! Die Klanginstallation in der Aue war dabei aber ganz weit vorn! Vielleicht waren es aber auch die Skulpturen von Adrián Villar Rojas am alten Weinberg die mich nachhaltig beeindruckt haben (weißt Du was jetzt damit passiert?). Gruß René

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  3. Hi! Als ich heute von der Arbeit nach Hause gefahren bin, stand ein Kran am Weinberg und hat die Skulpturen heruntergehoben. Die Stadt Kassel hat ja nicht allzuviele Kunstwerke gekauft. Diese Skulpturen fand ich aber auch klasse. Die Bienenfrau fand ich schräg, der Anblick hat mir im ersten Moment ein bisschen Angst eingeflöst. ;-)

    Momentan sind aber wieder Kunstwerke in Kassel; die des Künstlers Bi Heng. Wenn es dich interessiert, hier ein Link zur regionalen Zeitung: http://www.hna.de/nachrichten/stadt-kassel/kassel/kunst-china-rollt-2514930.html

    Ich werde die nächsten Tage auf meinem Blog darüber berichten.

    Schönen Abend noch.

    Ina

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